11.02.2014
Kindheitswissenschaften
international: Deutschland in Genf vor dem UN-Kinderrechteausschuss
Was
machen eigentlich Kindheitswissenschaftlerinnen und
Kindheitswissenschaftler? Unter anderem beschäftigen sie sich mit
der Bekanntmachung und Umsetzung der von Deutschland 1992
unterzeichneten UN-Kinderrechtskonvention. Darin geht es um Schutz-,
Förderungs- und Beteiligungsrechte z.B. in den Bereichen Bildung,
Gesundheit, Freizeit und Kultur. Zu diesem Zweck ist der Studiengang
für Angewandte Kindheitswissenschaften nun Mitglied in der
bundesweiten Vereinigung von Kinderrechtsorganisationen,
Familien-Vereinen und Sozialverbänden namens „National Coalition“.
Sie hat die in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebene Aufgabe
als Nichtregierungsorganisation die regierungsamtlichen Maßnahmen
und Berichte zur Umsetzung der Kinderrechte zu überprüfen.
Wie
alle Staaten, die die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet haben,
muss auch die deutsche Regierung mit ihren Ministeriumsvertretern dem
Kinderrechte-Ausschuss der Vereinten Nationen in Genf alle fünf
Jahre Rede und Antwort stehen. Da es sich dabei um so interessante
Themen wie Kinderarmut, Flüchtlingskinder, Kinderrechte ins
Grundgesetz, Kindersoldaten, Bildungschancen, Kindergesundheit,
Inklusion usw. handelt, ist ein solches Event bemerkenswert.
Am
27. Januar 2014 stand Deutschland vor dem UN-Kinderrechteausschuss in
Genf auf dem Prüfstand. Das Seminar „Kindheitswissenschaften in
die National Coalition“ hat den langen Weg bis dorthin verfolgt.
Anlässlich der Anhörung organisierten wir in unserer Hochschule
eine Liveübertragung des Dialogs von Genf nach Stendal. Veranstaltet
wurde dies in der FET-Bar. Dies ist eine, von Student(inn)en für
Student(inn)en bewirtschaftete Campus-Bar, die sich ebenfalls gut
dazu eignet, gemeinsamen Interessen einen Raum zu schaffen.
In
angenehmer Atmosphäre konnten wir verfolgen, wie Deutschland vor dem
Ausschuss
Rede
und Antwort stand. Stellvertretend für die Bundesrepublik war der
Staatssekretär des Familienministeriums Dr. Ralf Kleindiek vor Ort.
Nach einer kurzen Begrüßung seinerseits, behielten die
Ausschussmitglieder ihre vorbereiteten Fragen nicht lange für sich.
Herr Kleindiek zeigte sich im Auftakt durchaus selbstkritisch. Obwohl
in den letzten Jahren schon einiges in der Umsetzung der Kinderrechte
getan wurde, ist eine Verbesserung der Lage notwendig. Somit konnte
sich Deutschland auf einen umfangreichen Themenkatalog mit kritischen
Fragen gefasst machen. Folgende Themen fanden ihre Beachtung: Wie
verbreitet ist die Kinderarmut? Schützen deutsche Firmen im Ausland
die Kinderrechte? Wie sieht es mit Maßnahmen gegen Gewalt in
Familien und gegen Mobbing in der Schule aus? Welchen
Diskriminierungen sind Flüchtlingskinder und Kinder in Asylverfahren
ausgesetzt? Wie weit ist die Umsetzung einer Monitoring-Stelle in
Deutschland?
Monitoring-Stellen
in Deutschland
Ein
für Kindheitswissenschaftler_innen interessanter und aktueller Punkt
war der Dialog um den Ausbau von sogenannten Monitoring-Stellen zur
Sammlung und Überprüfung der Daten über die Umsetzung der
Kinderrechte und das Individualbeschwerdeverfahren in Deutschland.
Die BRD war einer der ersten Staaten, die das dritte Zusatzprotokoll
zur UN-Kinderrechtskonvention (das Individualbeschwerdeverfahren)
unterschrieben haben. Dieses ermöglicht es Kindern, sofern sie sich
in ihren Rechten verletzt fühlen, sich beim UN-Ausschuss zu
beschweren. Die Bundesregierung sieht den Schutz der Kinderrechte vor
allem durch die Tatsache gewährleistet, dass Deutschland ein
Rechtsstaat ist. Außerdem äußert sich Deutschland dahin gehend,
dass auf Landesebene bereits Monitoring-Stellen bestünden. Dies
betrifft jedoch nur einzelne Bundesländer, da hierzu keinerlei
bundeseinheitliche gesetzliche Verankerungen vorliegen.
Solange
Deutschland keine zentralen Monitoring-Stellen ausbaut, ist der
innerstaatliche Rechtsweg sehr schwierig auszuschöpfen. Die
Beschwerden der Kinder können somit nicht von dem Ausschuss
bearbeitet werden. Des Weiteren sind Monitoring-Stellen nötig, da
diese über die konkrete Umsetzung der Kinderrechtskonvention in
Deutschland wachen. Es verwundert daher nicht, dass das Thema nach
wie vor auch bei dem UN-Komitee für Empörung gesorgt hat.
Flüchtlingskinder
Ein
weiteres wichtiges Thema ist die Situation der Flüchtlingskinder in
Deutschland. In den abschließenden Bemerkungen (Concluding
Observations), die zirka eine Woche nach der Anhörung in Genf (am 5.
Februar 2014) veröffentlicht wurden, hebt das Kinderrechte-Komitee
die schwierige Lage der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge
hervor. Im Alter von 16 Jahren können Flüchtlinge einen eigenen
Asylantrag stellen, gemäß den deutschen Asyl-Richtlinien. Die
Gefahr, dass sie dabei wie Erwachsene behandelt werden und keinen
Kinderschutz mehr genießen, ist groß. Davor warnt auch der
Ausschuss. Ein spezieller Schutz von Flüchtlingskindern ist nicht
nur ein wichtiges Anliegen des UN-Komitees. Auch wir, als
Kindheitswissenschaftler_innen, warnen vor nicht kindergerechten
Asylverfahren. Kinder, die auf der Flucht waren/sind, benötigen
einen besonderen Schutz und müssen vor einer erneuten
Traumatisierung bewahrt werden.
Insgesamt hat die
Bundesregierung den Anschein erweckt, dass sie sich auf den Dialog
mit dem UN-Komitee gut vorbereitet hat und mit sehr viel Feingefühl
an das Thema Kinderrechte heran gegangen ist. Für viele von uns, war
es die erste Möglichkeit den Ablauf einer UN-Anhörung mitzuerleben.
Unser Vorteil war es, dass der Dialog in deutscher Sprache übertragen
wurde, sodass wir mit offenen Ohren gespannt zuhören konnten. Wir
waren nicht großartig überrascht, wie sich Deutschland
repräsentierte. Vieles wurde oberflächlich thematisiert und zum
Teil ungenau beantwortet. Schwachstellen und Kritikpunkte wurden zum
Teil auf den Umbau der Bundesregierung zu einer großen Koalition und
deren Antrittsschwierigkeiten geschoben.
Wir hoffen sehr,
dass die abschließenden Bemerkungen des UN-Kinderrechteausschusses
von Deutschland ernst genommen werden und in der Umsetzung der
Kinderrechte Beachtung finden. Dass Kinder Rechte haben und sie
durchaus in der Lage sind, ihre Interessen selbst zu äußern, muss
auch in der Bundesrepublik zu einer Selbstverständlichkeit werden.
Von:
Mara
Erdmann/Katharina Fischer/Christian Kirchner/Anne Müller/Claudia
Müller/Isabell Roolf und das Seminar „Kindheitswissenschaften in
der National Coalition“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen